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27.05.2005

Wenn einer eine Reise tut...

dann kann er was erleben. Wir nutzten die zweite Aprilhaelfte zu einer Expedition in die oestlichen Provinzen Kanadas und gingen guten Mutes mit unendlichem Vertrauen in die Verkehrs- und Betriebssicherheit unseres Autos auf die Reise nach Quebec, New Brunswick, Prince Edward Island, Nova Scotia an den Atlantik und zurueck. Nach schaetzungsweise 67 Durchlaeufen von "Konig der Loewen" im Autoradio landeten wir wieder am 1. Mai wohlbehalten in Toronto. Und hier ist unser Bericht:

Karten von http://wuarchive.wustl.edu

16. April. Montreal, Quebec.

Montreal ist die groesste Stadt, wenn auch nicht die Hauptstadt, der franzoesischsprachigen Provinz Quebec. Hier sollten wir - dem Vernehmen nach - lebendiges, kulturvolles europaeisches Ambiente in einer so historischen wie modernen Innenstadt erwarten.

Zunaechst erwartete uns jedoch an einem spaeten Samstag abend unser Quartier fuer die ersten zwei Naechte unserer Reise, die Jugendherberge zu Montreal. Die Jugendherbergen boten uns oft preiswerte und zweckmaessige Behausung. Verkehrsguenstig gelegen, hatten wir es am naechsten Tag nicht schwer, mit der Metro, ganz wie das Pariser Vorbild gummibereift, in das Stadtzentrum zu gelangen.
Erstes Ziel war die Altstadt. Auf dem Weg von der Metrostation wurden wir sofort sehr freundlich in bestem Englisch (nicht selbstverstaendlich in Quebec!) um Kleingeld gebeten. Bald merkten wir, dass sich die Kultur des Geldschnorrens in Montreal allgemeiner Beliebtheit erfreut, die gefuehlte Zahl der Bettler - allesamt nicht schuechtern, aber hoeflich - schien deutlich ueber der Torontos zu liegen.
Aus Sicht eines europaeischstaemmigen Betrachters ist es nur schwer nachzuvollziehen, warum das blanke Vorhandensein einiger Reste Kopfsteinpflaster kulturhistorischen Wert symbolisiert. Und Pferdekutschen fuer Touristen sowie eine Unzahl von Antiquitaetengeschaeften allein duerften fuer einen Eintrag in der UNESCO-Liste des Weltkulturerbes nicht ausreichend sein. Das grosse Staunen ob gewaltiger architektonischer Zeugen einer vergangenen Zeit blieb bei uns jedenfalls aus.
Der alte Hafen Montreals ist ideenreich zur Flaniermeile umgestaltet worden, hier hat auch der weithin bekannte Cirque de Soleil sein Hauptquartier gefunden. Nach einem erholsamen Spaziergang strebten wir der neueren Innenstadt Montreals entgegen...

Um die folgenden Eindruecke einordnen zu koennen, ist ein Blick in die Geschichte Kanadas noetig. Seit jeher haben die Briten und die Franzosen bekanntermassen ein nicht unbedingt herzliches Verhaeltnis zueinander. Auch in Uebersee gab es diverse Meinungsverschiedenheiten, die ganz und gar nicht zimperlich ausgetragen wurden. Kanada fiel letztendlich 1763 an die britische Krone, jedoch wurde schon 1774 mit dem Quebec Act die erste einer Reihe von Sonderregelungen und Zugestaendnissen fuer Quebec inkraft gesetzt. Seither hat es stets Bestrebungen seitens der Quebecios gegeben, einen eigenen und unabhaengigen Staat zu gruenden. Durch die Gruendung der separatistischen "Parti Quebecois" 1968 und die anschliessenden Wahlerfolge dieser Partei begannen die Auseinandersetzungen an Schaerfe zuzunehmen.

Die Weltausstellung 1967 und die Olympischen Spiele 1976 haben das Stadtbild von Montreal gepraegt. Reihenweise Bauten mit viel Beton im Charme der 70er Jahre zieren das Stadtbild. Durch die politische Entwicklung in der selben Epoche (Zum Beispiel sind per Gesetz die Manager grosser Konzerne verpflichtet worden, Franzoesischkenntnisse nachzuweisen) begann sich die Wirtschaft teilweise aus Quebec zurueckzuziehen - sehr zum Vorteil von Ontario mit seiner Hauptstadt Toronto. Das fuehrte zu einer Stagnation der Entwicklung. So wirkte Montreal am fruehen Sonntag nachmittag nicht uebermaessig anheimelnd, an einigen Ecken auch nicht immer appetitlich. Doch wo war die vielbeschworene franzoesische Lebensart?

Nach 17:00 Uhr, beim Verlassen des "Musee des Beaux-Arts de Montreal", schien dann doch Leben in die sonntaegliche Stadt gekommen zu sein. Die Strassencafes waren bis auf den letzten Platz besetzt und schicke Autos standen davor. Etablissements wie McDonald's und Starbucks-Coffee blieben konsequenterweise fast leer. Wir machten vor unserer Rueckkehr in die Herberge Rast im Jazzclub "Upstairs", der sich jedoch Downstairs im Keller befand. Der Kellner war mit uns am fruehen Abend allein - Zeit fuer einen Schwatz, bei dem wir erfuhren, dass die nett aussehenden Strassencafes in aller Regel nur ein sehr durchschnittliches gastronomisches Niveau bieten, aber das sei fuer us-amerikanische Touristen, die glauben, wie Gott in Frankreich zu dinieren, allemal ausreichend. Wir erhielten von ihm auch eine Liste mit empfehlenswerten Restaurants in Montreal, aus Zeitgruenden muessen wir uns das Testen fuer ein anderes Mal aufheben. Vielleicht kann man in Montreal tatsaechlich gut essen, trinken, Musik hoeren. Aber man muss dazu nicht mehr wie vor 30 Jahren unbedingt nach Montreal fahren.
Montreal erschien uns insgesamt wie die alternde Dame, mit der man noch mal nett einen Kaffee trinken kann, die aber ihre besten Zeiten seit 30 Jahren hinter sich zu haben scheint. Toronto wirkt dagegen jung, zukunftstraechtig und lebendiger.


18. April. Riviere du Loup, Quebec.

Auf unserer Tour wuerden wir noch einige Male feststellen muessen, dass wir vor der Saison nur ein begrenztes touristisches Programm erwarten duerfen. Das galt erfreulicherweise nicht fuer den Sugarshack, den grenzenlosen Genuss frisch gezapften Ahornsirups. Quebec produziert den Loewenanteil dieser suessen Leckerei, daher findet man bis Anfang Mai allerorten Moeglichkeiten, Ahornsirup in allen Varianten zu sich zu nehmen. Eine halbe Stunde von Montreal entfernt kehrten wir dann in eine "Zuckerbude" (=Sugarshack) ein und bekamen ein Potpourri aller moeglichen und unmoeglichen Dinge auf den Teller, die man mit Ahornsirup zubereiten kann. Nudelsalat, Erbsensuppe, Schweinebraten und Wiener Wuerstchen (mit Sirup!) waren definitiv eine kulinarische Ueberraschung. Lecker war "Sugar on Ice". Aufgekochter, karamelisierter Sirup wird auf Schnee oder gestossenes Eis gegossen, um ein Holzstaebchen gewickelt und als Lutscher verspeist. Suchtpotential garantiert!

Unsere Fahrt nach Riviere du Loup fuehrte uns am St. Lorenz- Strom entlang, zwischendurch erregte ein unbeschrankter Bahnuebergang auf der Autobahn allgemeine Verwunderung. Riviere du Loup ist ein kleines, beschauliches Staedtchen, dass sich durch die strategisch guenstige Lage am Transkanada-Highway als Uebernachtungsquartier anbietet. Durch einen freundlichen Hinweis unseres Herbergsleiters angeregt, fuhren wir vor unserer Weiterreise an den St-Lorenz-Strom und konnten Robben und Beluga-Wale in freier Wildbahn beobachten. Die Mittagsmahlzeit, in einem Bistro am Faehrhafen eingenommen, erinnerte uns daran, dass Quebec erst im Jahr 2006 ein Rauchverbot in Gaststaetten gesetzlich verankern will, sehr zum Unwillen vieler traditionsbewusster Quebecois, fuer uns leider zu spaet.

Vor dem Ueberschreiten der Provinzgrenzen nach New Brunswick schnell noch Wein gekauft. Die Provinz Quebec unterstuetzt die Vorstellungen vieler Nordamerikaner, dass hemmungsloser Alkoholgenuss integraler Bestandteil europaeischer Lebensart ist. Alkohol ist in Quebec (im Unterschied zu den anderen Provinzen) in jedem Lebensmittelgeschaeft erhaeltlich. Der oberste zulaessige Alkoholgehalt im Autofahrerblut ist fuer Quebec 0,08. Der in diesem Zusammenhang ungewohnte Zahlenwert weist uns darauf hin, dass in Quebec die Blutalkoholkonzentration gleich in Prozent und gar nicht erst in derartig mickrigen Einheiten wie Promille gemessen wird.

Nun wussten wir auch, warum unsere Handytarife unschlagbar guenstig waren. Kein Empfang in laendlicher Idylle. Fido's naechster Sendemast sollte erst in Halifax stehen.


19. April. Fredericton, New Brunswick.

New Brunswick (der Name ist die anglisierte Variante von "Neu Braunschweig") ist die einzige wirklich zweisprachige Provinz Kanadas, englisch- und franzoesischsprechende Einwohner halten sich zahlenmaessig die Waage. Die Hauptstadt dieser Provinz ist Fredericton, die wir am Abend dieses Tages erreichten.
Die Anziehungskraft der dortigen Jugendherberge besteht im Wesentlichen darin, fuer die Studenten der Universitaet preiswertes Dauerwohnen zu ermoeglichen. Als Durchreisender ist man dagegen sehr erstaunt, wenn man sich den Strom fuer die Nachttischlampe mittels einer Verlaengerungsschnur vom Flur in die "gute" (?) Stube holen muss. Eine Nacht war mehr als genug, wir zogen es am naechsten Morgen vor, das Fruehstueck in frischer Luft in einem Park zu geniessen.


20. April. St. John, New Brunswick.

Weiter ging es - dem St. John River folgend. New Brunswick ist im Prinzip menschenleer, und mitunter auch im April noch recht kalt, die Bevoelkerung wohnt entweder entlang des St. John River oder an der Atlantikkueste. Typisch fuer New Brunswick sind ueberdachte Bruecken - ein Relikt aus der Zeit der Pferdefuhrwerke. Die Gaeule waren stets aengstlich, vereiste Bruecken zu betreten, da wurden die Bruecken kurzerhand ueberdacht.
Auf dieser Etappe hatten wir auch die Gelegenheit, einen echten kanadischen Elch vor die Kamera zu bekommen.
In St. John, einer Hafenstadt von ca. 100.000 Einwohnern, fanden wir Quartier in einem kleinen, privat gefuehrten Bed&Breakfast-Hotel. Der Clou dieser Bleibe ist, dass sie 100%ig in Victorianischem Stil eingerichtet wurde. Alles konnte man nicht fotografieren, dieses Foto duerfte eine gute Vorstellung davon vermitteln, wie detailgetreu die Ausstattung war. Eine Denksportaufgabe besonderer Art war die Parkregelung vor unserer Unterkunft.
St. John besitzt eine uralte, wunderschoene Markthalle, in der ueberwiegend regionale Produkte verkauft wurden, eine Tuete getrockneten Seetangs lieferte uns wuerzige Zutat fuer die naechsten Salate.
Saint John ist an der Bay of Fundy gelegen, der Kueste mit dem groessten Tidenhub der Welt - ca. 15 Meter Differenz zwischen Ebbe und Flut. Da stehen schon mal richtige Schiffe bei Ebbe auf dem Trockenen. Und der St. John River bietet das Schauspiel der "Reversing Falls", d.h. bei einsetzender Flut fliesst der Fluss bergauf und aendert daher mehrmals taeglich seine Fliessrichtung. Die Bay of Fundy ist touristisch gut erschlossen, nahe der Grenze zu den USA befindet sich der huebsche Badeort St. Andrews - im April jedoch noch recht verschlafen. Die eigentliche Hochsaison beginnt Ende Mai, wenn alles schwimmfaehige Gut (Schiffe, Boote, Floesse und Treibholz) mit Touristen beladen wird, um auf See nach Walen Ausschau zu halten. Weiter oestlich bieten die Hopewell Rocks, von den Gezeiten ausgewaschene Felsen an der Kueste, abhaengig von Ebbe und Flut Moeglichkeiten, sie zu Fuss zu unterqueren, mit dem Kanu zu durchpaddeln oder sie in den Fluten versinken zu sehen. Als wir ankamen, waren die Felsen fuer den Besucherverkehr geschlossen. Ein offenes Tor ersparte uns 18$ Eintritt und ermoeglichte stille und ungestoerte Betrachtung. An den Hopewell Rocks begegneten wir auch unserem ersten Kragenhuhn (bonasa umbellus). Kragenhuehner sind so ziemlich die duemmsten Voegel Kanadas. Der Vogel schritt, ungeachtet ankommender Autos, ungeruehrt ueber die Strasse und liess sogar noch genug Zeit fuer ein Photo. So weit, so ungefaehrlich. Einige Tage spaeter sahen wir ein Video, wie Kragenhuehner gejagt werden. 2 Jaeger in ORANGER(!) Kleidung schritten, begleitet von Kameramann, Beleuchter, etc. breite Waldwege entlang. Immer wenn sie eines Huhns ansichtig wurden, luden sie geruhsam die Buechsen und konnten lautstark kommentierend das unbewegliche, bloede Federvieh schlicht und ergreifend ohne Gegenwehr abballern. Ist "Moorhuhnjagd" eine kanadische Software???


22. April. Charlottetown, Prince Edward Island (PEI).

Das Prince Edward Island kann Kanadas niedlichste Provinz genannt werden. Eine Karte der Provinz klassifiziert die Ortschaften wie folgt:

  • bis 500 Einwohner

  • 500 bis 1000 Einwohner

  • 1000 bis 2000 Einwohner und

  • ueber 2000 Einwohner.

Es gibt nicht viele Orte der letzten Kategorie. Die Hauptstadt und "Megametropole" Charlottetown nennt 30.000 Seelen ihr eigen. Auf die Insel geht es seit 1998 ueber eine mautpflichtige 13 Kilometer lange wunderschoene Bruecke. Die Maut betraegt runde 40$. Damit niemand vor dem Befahren der Insel abgeschreckt wird und die PEI-er sich nicht allein fuehlen, wird die gesamte Maut erst beim Verlassen der Insel kassiert. Wer in Geldnot ist, muss bleiben. Der Versuch, die Insel weiter suedlich mit einer Faehre zu verlassen, ist genauso teuer und auch nur ab 1. Mai moeglich. Industrie gibt's kaum, stattdessen Landwirtschaft und Tourismus. In Kanada sind die Kartoffeln der Inseln sehr begehrt, die in der roten Erde PEIs gedeihen. Ob sie besser schmecken, wagen wir nicht zu beurteilen, zumindest sind sie optisch recht attraktiv. Das Prince Edward Island ist beliebtes Urlaubsziel. Die Saison beginnt nicht vor dem 1. Mai. Vorher befindet sich die Insel in Winterstarre. "Closed for the Season" haengt bis Ende Mai in vielen Schaufenstern, bis dahin ist PEI nur ein Geheimtip fuer Leute, die nichts anderes brauchen als Ruhe.
Zumindest in Kanada recht bekannt ist "Anne of Green Gable". Ein - zur Insel passendes - niedliches Maedchen, eine Romanfigur der Schriftstellerin Lucy Maud Montgomery. Das niedliche Anwesen, das die Autorin zum Roman inspirierte, mit einem niedlichen Waeldchen (mit niedlichen Kragenhuehnern!) und einem niedlichen Baechlein ist eins von mehreren Museen, das auf PEI die Verdienste von Ms. Montgomery wuerdigt.
Die Unzahl an Golfplaetzen, Spassbaedern, skurrilen Museen und langen Straenden liessen uns erahnen, was auf PEI waehrend der Saison los ist. Wir erfreuten uns an der Ruhe vor dem Sturm, der im Sommer tobt.

An dieser Stelle muss zum ersten, aber leider nicht zum letzten Mal, auf den Zustand unseres fahrbaren Untersatzes hingewiesen werden. Bei der Ankunft in Charlottetown wiesen uns das Aufleuchten einer roten Lampe und unueberhoerbare Geraeusche darauf hin, dass der Regler nicht mehr regeln wollte. Wir verbrachten unsere erste Nacht ausgerechnet in einem Motel, ironischerweise ohne unser Auto. Das stand bei "Canadian Tire" - einer Mischung aus Autowerkstatt, Ersatzteilhandel und Baumarkt. Wir wuerden noch mehrere Filialen von "Canadian Tire" kennenzulernen haben.
Am naechsten Tag sorgte dann eine Reifenpanne fuer ein Rendevous mit den freundlichen Abschleppern vom CAA und fuer einen neuen Reifen vorne links.


24. April. Halifax, Nova Scotia.

Vorschalldaempfer heisst "Muffler", das naechste neue Wort gelernt. Lautstark gestaltete sich unser Einzug nach Halifax, der Rost hatte ganze Arbeit geleistet. "Canadian Tire" - da sind wir wieder!
Halifax hat neben einer Filiale von Canadian Tire natuerlich etwas mehr zu bieten.
MIt einem durchgaengig eisfreien Hafen gesegnet, ist Halifax nicht nur wichtiger Handelsplatz, sondern auch wichtiger Stuetzpunkt fuer Kanadas Kriegsflotte. Nicht zuletzt wird auch das "Alexander Keith's", ein sehr wohlschmeckendes Bier hier gebraut.
Die Altstadt von Halifax vermittelte uns mit ihren Speichern und anderen steinernen Zeugen einer langen Handelstradition eher das Gefuehl, eine historische Staette zu besuchen, als das in Montreal der Fall war.
Natuerlich liessen wir uns die Gelegenheit nicht entgehen, in einem der unzaehligen Seafood-Restaurants frischen Hummer zu essen. Empfehlenswert!
Und kurz vor unserer Abfahrt aus Halifax fiel uns spontan das Glas des rechten Aussenspiegels ab.


26. April. Wentworth, Nova Scotia.

Unser Stolz, die englische Sprache schon soweit zu beherrschen, dass wir manchmal sogar schon die fuerchterlich genuschelten Stationsansagen der U-Bahn zu Toronto verstehen, erhielt in Wentworth einen herben Daempfer.
Der Herbergsvater der Jugendherberge, die vor allem von Wintersportlern frequentiert wird, hiess uns Ende April als seine einzigen Gaeste willkommen. Verstanden haben wir's nicht gleich. Des Raetsels Loesung: Der gute Mann hat zwar eine kanadische Frau, stammt aber selbst aus Australien. Das Verhaeltnis von australischem Englisch zum kanadischen ist ungefaehr dasselbe wie das von Schwytzerduetsch zu Hochdeutsch. Mit etwas Konzentration war aber auch diese Klippe zu meistern.

27. April. Riviere du Loup, Quebec.

Ein Stueck an der Antlantikkueste New Brunswicks entlang, mit einem Halt an der Kueste. Der Atlantik hier alles andere als glasklar. In Miramichi (der gleichnamige Fluss gilt neben dem St. John- River als hervorragendes Lachsgewaesser) begann die Ost-West-Durchfahrt durch New Brunswick. 100 Kilometer nur Wald, kein Ort, nur ein paar einsame Huetten am Strassenrand. Ganze 19 Autos kamen uns waehrend der Fahrt durch die kanadische Wildnis, wie man sie sich vorstellt, entgegen. An den Grand Falls, wieder am St. John River, Station gemacht und weiter nach Riviere du Loup. Die Fahrt durch die dunkle Stadt ohne Stadtplan war schwierig, zumal man als Englisch sprechender Reisender von den Einheimischen nicht erwarten sollte, eine Antwort zu erhalten.


28. April. Quebec, Quebec.

Die erste Sehenswuerdigkeit in Quebec war - Canadian Tire! Der Regler, ein zweites Mal. Zum Glueck auf Garantie.

Die Jugendherberge in Quebec bot uns fuer die naechsten 2 Naechte Quartier, mitten im Stadtzentrum gelegen. Quebec ist im 18. Jahrhundert von franzoesischen Eroberern wegen seiner strategisch guenstigen Lage auf einer Erhebung am St. Lorenz-Strom gegruendet worden. Quebec City besitzt in der Tat historisches Ambiente und als einzige Stadt Nordamerikas Teile einer alten Stadtmauer. Kuenstlergassen, Schloesser und Festungen verstroemen europaeisches Flair. Darum werden auch Hundertschaften von Schuelern in unzaehligen Bussen Tag fuer Tag nach Quebec gefahren, um - egal bei welchem Wetter - erst ein bisschen Geschichte zu erleben und danach die selben Laeden zu stuermen, die auch von Schuelern anderer Kontinente bei ihren Ausfluegen heimgesucht werden. Einen Eindruck, welcher Art das vermittelte Geschichtswissen ist, gewannen wir anlaesslich eines Besuchs in einem Wachsfigurenkabinett (Das Wetter war wirklich SEHR schlecht!). Die Geschichte Quebecs umfasst hiernach im Wesentlichen drei Hauptschwerpunkte.

  1. Der Kampf der ruhmreichen Helden franzoesischer Nation gegen die heimtueckischen und boesen Irokesen

  2. Der Kampf der ruhmreichen Helden franzoesischer Nation gegen die habgierigen und boesen Briten und

  3. Die Unterstuetzung der Nordstaaten im us-amerikanischen Buergerkrieg durch die ruhmreiche franzoesische Krone.

Eine derartig unbefangene Geschichtsauffassung soll auch in den Geschichtsbuechern in Quebecs Schulen zu finden sein.

Geschichte spielt im Denken und Handeln der Quebecois eine herausragende Rolle. Da man nicht alles gleichzeitig im Blick haben kann, scheint dafuer die Zukunft ein bisschen zu kurz zu kommen. Grosse Energie wird darauf verwendet, Traditionspflege zu betreiben und fremden Einfluessen Einhalt zu gebieten. Im Gegensatz zu Ontario spielt hier z.B. die Nationalitaet und Muttersprache eine Rolle bei der Bewerbung, im Ontario bewirbt man sich dagegen ueblicherweise sogar ohne Altersangabe. Es scheint fuer Quebec eine paradoxe Parallelitaet zu den USA zu bestehen, was die Toleranz und Offenheit fuer fremde Kulturen angeht. So haben wir, als wir unsere Eindruecke von Quebec in Mississauga schilderten, auch erfahren, dass der Rassismus in Quebec eine groessere Rolle als woanders in Kanada spielt.


30. April. Ottawa, Ontario

Muss erwaehnt werden, dass der Regler bei Canadian Tire in Ottawa ein weiteres Mal gewechselt werden musste?

Prinzipiell ist es eine originelle Idee, ein ehemaliges Gefaengnis zu einer Jugendherberge umzubauen. Fuer unser Empfinden hat man sich beim Umbau des alten Knastes in Ottawa ein bisschen zu sehr am Komfort des Originals orientiert, so dass unser Urteil fuer die JH Ottawa lautet: nicht empfehlenswert.

Sehr empfehlenswert dagegen die Nationalgalerie in Ottawa, die sowohl durch raffinierte Architektur als auch durch die Qualitaet der Sammlung ueberzeugt, und wiederum das Museum of Civilization Canada. Bestandteil dieses Museums, das wir schon waehrend unseres ersten Ottawa-Besuchs im Januar betraten, ist ein Postmuseum. Die Kinder durften nach der Beantwortung einiger Fragen eine Briefmarke ihrer Wahl aus einer Sammlung aussuchen. Wie gross war mein Erstaunen, als ich sah, dass ein Grossteil der Marken aus DDR-Produktion stammte. Der Museumsmitarbeiter erklaerte mir, dass die DDR-Marken durch eine hervorragende Gestaltung auffielen und seine Lieblingsmarke auch eine DDR-Marke sei.


Am Abend des 30. April, Hwy. 401, 200 km vor Toronto, Ontario.

An einer Autobahnraststaette war die Fahrt zu Ende.
Erwaehnenswert zum Thema Autobahnraststaetten sind die Kondom-Automaten in den Toiletten (dezentere nordamerikanische Formulierung: Waschraeume). Da nicht jeder Kanadier aufgrund seiner Erziehung locker mit einem frisch erworbenen Paeckchen Verhuetungsmitteln aus der Toilette kommen mag, sind die Kondome in Schachteln erhaeltlich, die vorgeben, Halsbonbons zu beinhalten.
Wer also mit einer Packung Halsbonbons von einer kanadischen oeffentlichen Toilette kommt, muss nicht zwangslaeufig krank sein.

Wieder einmal war es der CAA, der uns und unser erschoepftes Vehikel nach Hause fuhr. Dieses Mal machte uns ein kaputtes Getriebe fuer die naechste Woche zu Fussgaengern.
In den fruehen Morgenstunden des 1. Mai kamen wir, um viele interessante Eindruecke reicher, in Mississauga an.